Politischer Erdrutsch: Ergebnisse & Reaktionen aus Amstettner Bezirk

Erstellt am 29. Jänner 2023 | 20:12
Lesezeit: 7 Min
Massive Verluste für ÖVP, auch in Hochburg-Gemeinden. Die SPÖ verliert im Bezirk ebenfalls an Zustimmung. Die FPÖ verdoppelt sich, Grüne und Neos legen zu. Für den Bezirk gibt es nur noch zwei Grundmandate.

36,9 Prozent für die ÖVP. Das bedeutet für die Volkspartei mit den beiden Landtagsabgeordneten Michaela Hinterholzer und Anton Kasser massive Verluste, der erste Platz bleibt aber ungefährdet.

In allen Gemeinden steht das Minus davor. In der Heimatgemeinde von Michaela Hinterholzer – Oed-Oehling – holte man 2018 noch 67,4 Prozent, heute kommt man auf 42,1 Prozent. Ein Minus von 25 Prozentpunkten. Ähnliches Bild in Allhartsberg, der Heimatgemeinde von Anton Kasser. Die ÖVP kommt nach 2018 – 72 Prozent – nur noch auf 47,6 Prozent. Mit 52,5 Prozent erreichte man 2018 im Bezirk Amstetten noch locker die absolute Mehrheit und lag damit damals drei Prozent über dem Landesschnitt.

„Zeigt einen Paradigmenwechsel"

„Es ist ein sehr schlechtes Ergebnis für die ÖVP, das auch einen Paradigmenwechsel zeigt. Es wird nicht nach geleisteter Arbeit und Themen entschieden, sondern es zählen nur noch Stimmungen. Der Verlust eines Grundmandats bedeutet für den verbleibenden Mandatar die enorme Herausforderung, diesen riesigen Bezirk allein zu betreuen“, zieht ÖVP-Bezirksobmann Andreas Hanger eine nüchterne Bilanz. Erfreulich sei die hohe Wahlbeteiligung als starkes Lebenszeichen der Demokratie. „Das ist ein trauriger Tag für die ÖVP. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass es nicht mehr wichtig ist, Projekte auf den Boden zu bringen. Offensichtlich zählt das nicht. Die Menschen haben eine große Angst vor Wohlstandsverlust und das hat sich im Ergebnis der Landtagswahl niedergeschlagen“, meint Landtagsabgeordnete Michaela Hinterholzer. Dem stimmt Anton Kasser zu: „Wir haben beide tolle Projekte für den Bezirk an Land gezogen, aber wir haben es offenbar nicht geschafft, den Leuten zu erklären, dass die Politik im Land gegen die Teuerung wenig machen kann. Die FPÖ hat mit den Themen Asyl und Ausländer Stimmung aufgebaut, ohne Lösungen anzubieten.“

FPÖ fühlt sich „wie in Trance“

Die Freiheitlichen überholen im Bezirk die Sozialdemokraten und liegen bei 28,2 Prozent. In Behamberg holte man sogar den ersten Platz mit 34,3 Prozent vor der ÖVP mit 32,7 Prozent. In manchen Gemeinden verdoppelten sich die Freiheitlichen, überall gibt es ein großes Plus. Das stärkste Ergebnis fuhr die FPÖ in Ertl (38,4 Prozent) ein, in der Bezirkshauptmannstadt Amstetten liegt man nur knapp hinter der ÖVP. „Das ist ein Freudentag. Ich fühle mich wie in Trance. Die Umfragen haben das Ergebnis zwar prophezeit, ich habe aber nicht daran geglaubt. Ich bin seit 25 Jahren bei der Partei, und es ist die 26. Wahl, bei der ich mitwirke, aber mit so einem Ergebnis habe ich nicht gerechnet“, jubelt FPÖ-Bezirksobfrau Edith Mühlberghuber.

Persönliche freue sie das Ergebnis aus Haidershofen (von 14,4 auf 30,7 Prozent). Die Wähler hätten sich gegen Korruption, Teuerung und die Impfpflicht entschieden. „Ob ich vom Nationalrat in den Landtag wechsle, weiß ich noch nicht. Ich bin dort, wo mich der Wähler haben will. Ich möchte aber die Erfahrung aus dem Nationalrat in den Landtag einbringen“, erklärt sie. 

Für FPÖ-Bezirkskandidat Alexander Schnabel hat sich das gute Abschneiden bereits abgezeichnet: "Ich war in den letzten Woche viel unterwegs, dabei habe ich gemerkt, dass die Stimmung für uns sehr gut ist. Unsere Wahlkampfthemen - von der Teuerung über die Korruption bis zum Asylchaos - haben den Nerv der Bevölkerung getroffen. Damit haben wir unser Ziel voll und ganz erreicht. Wenn es das Grundmandat im Bezirk für uns gibt, werde ich es gerne annehmen.“

SPÖ in Amstetten auf Rang drei

Trotz der Verluste für die ÖVP kann die SPÖ keinen Nutzen ziehen. Im Gegenteil: mit 20,6 Prozent im Bezirk Amstetten liegt man knapp 3 Prozent unter dem Ergebnis von 2018. Bis auf wenige Ausnahmen (Allhartsberg, Ardagger, Hollenstein, Neuhofen, Oed-Oehling) gibt es in allen Gemeinden Verluste. In Ertl konnte man sogar nur noch 6,5 Prozent der Wählerinnen und Wähler überzeugen, selbst in Amstetten, der früheren SPÖ-Hochburg, liegt man mit 27,1 Prozent hinter der FPÖ (28,6 Prozent). „Wir werden uns das genau anschauen müssen, auch wenn es in einigen Gemeinden Zugewinne gab. Die Frage ist, warum wir trotz des historisch schlechten Ergebnisses für die ÖVP nicht profitieren konnten. Wenn die Gremien es entsprechend entscheiden, würde ich gerne weiter als Landesrätin die begonnenen Projekte fortsetzen“, blickt Bezirksobfrau Ulrike Königsberger-Ludwig auf die Wahl und in die Zukunft. Die Sozialdemokratie müsse sich überlegen, wie es ihr gelingen könne, die Menschen abzuholen und ihnen klarzumachen, dass sie die Partei für die Arbeiter und Arbeiterinnen sei und die Menschenrechte hochhalte. „Dieser anderen Politik müssen wir entgegentreten. Ich möchte aber auch klarmachen, dass es nicht am Einsatz der Kandidatinnen und Kandidaten im Bezirk gelegen ist. Wir sind gelaufen bis zum Schluss“, betont Königsberger-Ludwig. Von einem sehr schmerzhaften Ergebnis spricht Landtagsabgeordnete Kerstin Suchan-Mayr: "Dass wir das Grundmandat verlieren könnten, damit hat niemand gerechnet." Es sei trotz großem Engagement nicht gelungen, "die Menschen von unseren Ideen und Programmen zu überzeugen."

Hörlezeder zieht in den Landtag ein

Die Grünen können sich über Gewinne freuen. Bezirksspitzenkandidat Dominic Hörlezeder erringt als Vierter der Landesliste zudem ein Landtagsmandat. Das beste Ergebnis im Bezirk holte man in Seitenstetten (9,8 Prozent) „Wir sind natürlich zufrieden, das Ergebnis ist hervorragend: Wir haben auch im Bezirk zugelegt, es ist ein klarer Auftrag, dass es in Richtung Klimaschutz gehen wird“, analysiert der Amstettner. Das Thema Klimaschutz will er auch im Landtag forcieren, etwa durch mehr Investitionen in Windenergie und Photovoltaik. „Wie wir das in Amstetten ja bereits vorexerzieren“, sagt Hörlezeder.

Die NEOS legten in allen Gemeinden zu und kommen auf 5,6 Prozent (+1,4). In sämtlichen Gemeinden freut man sich über Zugewinne, in Aschbach erreichen die Neos mit Bezirksspitzenkandidat Daniel Gieber 7,7 Prozent ihr bestes Ergebnis. „Wir freuen uns über Zugewinne, auch auf Landesebene. Der Clubstatus wird sich nicht ausgehen, aber dennoch können wir zufrieden sein“, sagt Gieber.

Die KPÖ und Liste Dein Ziel kommen jeweils auf rund ein Prozent. „Ziel“-Listengründer und Spitzenkandidat Wolfgang Durst ist mit dem Ergebnis nicht ganz zufrieden: „Unsere Bewegung wurde nicht so angenommen, wie ich mir das vorgestellt habe. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass wir nur in einem Wahlkreis und nicht landesweit angetreten sind und sich die Leute dadurch gedacht haben, eine Stimme für uns sei eine verlorene Stimme.“

Grundmandate für ÖVP und FPÖ

Künftig wird der Bezirk übrigens nur noch über zwei Grundmandate im Landtag vertreten sein. Pro Grundmandat werden etwa 16.000 Stimmen benötigt. Kerstin Suchan-Mayr (SPÖ) – sie verliert ihr Grundmandat – könnte allerdings über die Landesliste in den Landtag einziehen. Ebenso Bezirksobfrau und Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig, die ja zweite auf der Landesliste der SPÖ ist. Das verbliebene Grundmandat für die ÖVP wird entweder an Michaela Hinterholzer oder Anton Kasser gehen, abhängig vom Vorzugsstimmen-Ergebnis. Bernhard Ebner könnte über die Landesliste einziehen, wie auch Edith Mühlberghuber für die FPÖ. Das zweite Grundmandat im Bezirk geht an FPÖ-Spitzenkandidat Alexander Schnabel. Auch Dominic Hörlezeder (Grüne) schafft den Sprung über die Landesliste. Somit sind insgesamt – obwohl es weniger Grundmandate gibt – mehr Abgeordnete aus dem Bezirk als zuvor im Landtag.

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