Teuerung, Arbeitsmarkt: So wie jetzt war's noch nie bei Lebmit-Bunttex

Erstellt am 04. Februar 2023 | 04:12
Lesezeit: 4 Min
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Michaela Holzschuh und Sabine Neumann-Jeram von der „lebmit & bunttex“-Projektleitung haben zwar viel Angebot im Second-Hand-Shop, bitten aber trotzdem weiterhin um Spenden.
Foto: Anna Hohenbichler
Zwischen Second-Hand-Shop und niedriger Arbeitslosigkeit: Wie läuft das Sozialprojekt in Gmünd?

Blusen, Hosen, Jacken, dazwischen ein paar Hüte, Kinderspielsachen und bereits Faschingskostüme. Eine Kundin betritt das Geschäft, eine andere verabschiedet sich gerade zum Gehen, wieder andere stöbern durch die Auswahl. „Im Einkaufsverhalten merken wir kaum Veränderungen, die Kleiderspenden wurden vielleicht ein bisschen weniger“, sagt Michaela Holzschuh. Bei „lebmit & bunttex“ in Gmünd-Neustadt ist sie in der Projektleitung als Bereichsleiterin für den Second-Hand-Shop zuständig.

Man könnte meinen, Teuerung, Trends zur Wiederverwendung und Veränderungen am Arbeitsmarkt wirken sich auf das 1989 gestartete Sozialprojekt für Wiedereinsteigerinnen ganz besonders aus. Stimmt auch – zumindest teils.

Spenden zum Wiederverkauf aufbereiten

Das Prinzip im Second-Hand-Shop: Spenden werden zu den Öffnungszeiten abgegeben, von den Mitarbeiterinnen sortiert, gereinigt und für den Wiederverkauf aufbereitet. Gefragt sind neben Bekleidung auch Geschirr, Spielzeug, Bücher oder Ziergegenstände. Aus Kleidung entsteht auch mal eine Yogamatte oder eine Geldbörse.

Dann, wenn die Näherinnen Hand anlegen. „Der Gedanke zur Wiederverwendung zieht sich durch“, sagt Michaela Holzschuh. In der Näherei „Manschette & Kragen“ werden auch Maßhemden und -blusen angefertigt. Bloß: Das wird aktuell nur vorsichtig beworben, es fehle an Personal. Dahinter steckt die Dynamik des Arbeitsmarktes. Die AMS-Geschäftsstelle Gmünd meldete Ende Dezember eine Arbeitslosenquote von 4,8 Prozent. Laut AMS liegt der Wert 2,2 Prozentpunkte unter jenem von 2019 – also vor der Covid-Pandemie.

Unternehmen suchen nach Mitarbeitern, für „lebmit & bunttex“ bedeutet das: Potenzielle Mitarbeiterinnen werden schon am „ersten Arbeitsmarkt“ eher vermittelt und, kommen sie ins Sozialprojekt, ist die Verweildauer häufig kürzer. „Einen Platz auf dem ersten Arbeitsmarkt zu finden, ist oberstes Ziel“, sagt Projektleiterin und Sozialarbeiterin Sabine Neumann-Jeram: „Auch wenn manche nicht soweit sind.“

Warum es im Nahversorger personell schwieriger ist

Personell sei die Näherei vergleichsweise am einfachsten zu besetzen, erklärt sie: „Arbeitszeiten sind flexibler, auf Kinderbetreuung kann somit besser Rücksicht genommen werden.“ Im Nahversorger am Schubertplatz wird es schwieriger, es gibt fixe Öffnungszeiten. Gerade bei Alleinerzieherinnen, die bei „lebmit & bunttex“ eine Beschäftigung finden, ist Kinderbetreuung freilich ein großes Thema. Dazu kommen Frauen mit Migrationshintergrund.

„Die Arbeit in der Näherei ist einigen aus den Herkunftsländern bekannt, die Deutschkenntnisse eine geringere Hürde“, sagt Neumann-Jeram. Der Betrieb bietet unter anderem auch Syrerinnen einen Einstieg in den Arbeitsmarkt – erfordert aber Deutschkenntnisse auf A2-Niveau. „Im Lebensmittelbereich gibt es viele Fachwörter und den Dialekt unserer Kunden“, schmunzelt Michaela Holzschuh. Sie arbeitet seit 1996 hier, Sabine Neumann-Jeram ist seit Beginn dabei.

„Es gibt immer ein Auf und Ab am Arbeitsmarkt. Aber so gut wie jetzt war er noch nie“, sagt Letztere. Und meint damit: Personell ist es bei „lebmit & bunttex“ knapp. Also müssen Öffnungszeiten und Kapazitäten mitunter eingeschränkt werden. In den Semesterferien hat der Nahversorger von 6. bis 9. Februar ohnehin geschlossen. Das Geschäft wird modernisiert, frisch ausgemalt und erhält eine neue Einrichtung. Für 10. Februar ist eine Wiedereröffnung mit Krapfen-Aktion für alle Kunden geplant.

Jeden Cent an Förderungen abholen

Im Projekt ist an sich Platz für zwölf Vollzeit-Kräfte, die Stunden sind aber meist auf Teilzeit-Mitarbeiterinnen aufgeteilt, sowie einen Lehrling und vier Personen in Berufsvorbereitungs-Maßnahmen. Die Frauen werden daneben im Alltag unterstützt, wie Neumann-Jeram erklärt: „In der Sozialarbeit haben wir zuletzt viel Zeit damit verbracht, ihnen bei Anträgen zu helfen.“

Dabei gehe es um finanzielle Unterstützungen von Land und Bund etwa rund um gestiegene Strom- und Energiekosten oder den Schulbeginn. „Vor allem Alleinerzieherinnen kämpfen am meisten mit der Teuerung. Es ist wichtig, jeden Cent an Förderungen abzuholen“, sagt sie.

Ja, die Schicksale der Frauen können einem durchaus nahegehen, sind sich die Projektleiterinnen einig. Es gebe immer wieder neue Herausforderungen – weil auch die „Vorgeschichte“ einer jeden Frau anders ist. Da gibt es die mit Migrations- und sogar Fluchthintergrund, über die Sabine Neumann-Jeram sagt: „Sie können bei uns ankommen, das macht die Integration einfacher. Viele wollen etwas zurückgeben.“ Oder diejenigen, die nach körperlichen oder psychischen Problemen ins Berufsleben zurückkehren. Über sie sagt Michaela Holzschuh: „Am ersten Arbeitsmarkt geht es manchen zu schnell, bei uns können sie langsam reinfinden.“

Egal, welche Vorgeschichte und eigentlich auch egal, ob es um „ihre“ Mitarbeiterinnen geht, oder nicht. Nach so vielen Jahren bei „lebmit & bunttex“ wissen die beiden: „Das effektivste Mittel zur Armutsbekämpfung ist, wenn Frauen so arbeiten und verdienen, dass sie davon leben können.“