"Glück kann man trainieren"

Erstellt am 07. März 2023 | 08:44
Lesezeit: 6 Min
Andrea Röcklinger aus Biberbach ist zertifizierte Glückstrainerin. Ihre Arbeit setzt sie bei der Prävention an: „Ich will die Lebensqualität meiner Klienten von +3 auf +7 heben!“ Von Hans Schoder

„Wir haben es zu 40 Prozent selbst in der Hand, glücklich zu sein! 50 Prozent resultieren aus der genetischen Veranlagung, nur 10 aus dem Umfeld, in das wir hineingeboren sind!“ Nach dem Tortenmodell erklärt Andrea Röcklinger die Motivation für ihren Beruf. Die 49-jährige Mostviertlerin (zu Hause in Biberbach) ist zertifizierte Glückstrainerin und Psychologische Beraterin (LSB)!

„Ich helfe den Menschen, ihr Lebensglück selbst in die Hand zu nehmen. Ich unterstütze sie in einem achtsamen Umgang mit sich selbst und bei der Stärkung ihres Selbstwertes. Ich lerne ihnen, mit Stress besser umzugehen, und dadurch ihren Alltag entspannter und ruhiger zu gestalten!“

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Foto: zVg

2019 startete Röcklinger ihre Fachausbildung. In ihren verschiedenen beruflichen Tätigkeitsfeldern hatte die Sozialpädagogin zuvor immer wieder mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zu tun, die in den unterschiedlichsten Lebens- und Sinnkrisen steckten. „Während sich die klassische Psychologie Menschen annimmt, die bereits im Minus sind, setze ich in der Prävention an“, erklärt die dreifache Mutter. „Ich will die Lebensqualität meiner Klienten zum Beispiel von +3 auf +7 heben!“

Private Ereignisse pushten den Weg

Ein Autounfall hatte 2017 den Weg zur beruflichen Neuorientierung beeinflusst. „Mein Sprunggelenk war zertrümmert und anfangs war nicht klar, ob ich meine Beweglichkeit wiedererlangen würde“, erzählt sie. Für die leidenschaftliche Sportlerin (u.a. Wandern, Laufen und Radfahren) ein schwerer Schlag. Die Krise wahrnehmen, sie akzeptieren und nach vorne blicken, war das Rezept für ihren Weg. „In schweren Momenten darf man nicht den Blick nach hinten richten. Nicht nach Ursachen suchen. Man muss sich vielmehr die einzige Frage stellen: Was kann ich nun tun“, erklärt Röcklinger.

„Jeder Mensch hat Schwächen und Fehler. Jedes Leben ist eine Herausforderung. Gleichzeitig trägt jeder Mensch aber auch viele persönliche Stärken und positive Eigenschaften in sich. Genau diese stehen im Zentrum des Menschenbildes der Positiven Psychologie“, so Röcklinger. „Der Fokus wird nicht auf das gelegt, was Leid verursacht, sondern es werden die positiven Eigenschaften und Stärken in den Mittelpunkt gerückt. Dadurch kann sich der Einzelne viel freier entfalten, seine Ressourcen aktivieren, um mit dem Leid besser zurechtzukommen, und ein glückliches Leben zu führen!“

Eine wissenschaftliche Basis ihrer Arbeit ist das 5-Säulen Perma-Modell des amerikanischen Psychologen und Pädagogen Martin Seligman. Er definierte seinen Zugang zur Glücksforschung in Positiven Emotionen, Engagement, Relationships (Beziehungen), Meaning (Sinn) und Accomplishment (Errungenschaften). Die Anfangsbuchstaben ergaben den Namen für sein Modell.

Geld und Neid sind Glücksverhinderer

Was sind nun die Eckpfeiler für ein glückliches Leben? Andrea Röcklinger hat darauf eine klare Antwort: soziale Beziehungen, Dankbarkeit und Zufriedenheit. „Menschen, die in einem gesunden Umfeld aufgehoben sind – und das können Familie, Freunde, Arbeitskollegen, Nachbarn oder auch ein Verein sein – sind in der Regel auch glücklicher“, weiß sie nicht nur aus eigener Erfahrung. Sie belegt das auch mit einer aktuellen Studie, bei der 700 Klienten über 85 Jahre hindurch begleitet wurden.

Klare Glücksverhinderer sind für Andrea Röcklinger Geld und Neid. „Unsere Gesellschaft ist viel zu sehr auf den jeweils anderen fixiert. Neid und Unzufriedenheit machen uns definitiv unglücklich! Meine Großmutter wurde über 100 Jahre alt, hat acht Kinder in einfachen Verhältnissen groß gezogen und hat sich trotzdem nie beklagt!“

Warum viele Menschen heute trotz deutlich mehr Wohlstand über Unglück klagen, erschließt sich für sie vor allem aus der Dominanz des Negativen. „Wir schauen mit Vorliebe zuerst auf unsere Schwächen. Das beginnt bei den Noten in der Schule, hat seine Fortsetzung am Arbeitsplatz und endet in der Familie. Kritisiert wird gerne, gelobt selten!“

Besonders tragisch empfindet Röcklinger unglückliche Kinder und Jugendliche. „Ihre Unbeschwertheit ist es eigentlich, die uns den Weg weisen sollte. Dass es nach den Beschränkungen der sozialen Kontakte im Zuge der Corona-Maßnahmen vielen nicht gut geht, sehe ich als große Herausforderung für meine Arbeit!“

Immer öfter zieht es sie daher in die Schulen. Im Zuge von mehrwöchigen Bildungsaufträgen versucht sie, aus Klassen Glücksklassen zu machen. Sie gibt Kindern und Jugendlichen einen Stärken-Rucksack in die Hand. Diese dürfen nur mit positiven Eigenschaften gefüllt werden. Im Idealfall passiert am Ende das, was Andrea Röcklinger von einem jungen Mostviertler Schüler zu hören bekam, als er ihr verriet: Jetzt weiß ich erst, was die anderen gut können!

Tägliches Glück ist trainierbar

Für Röcklinger steht jedenfalls fest: „Glück kann man trainieren! Das funktioniert wie bei Muskeln. Wer ständig an sich arbeitet, wird auch Erfolge spüren. Dafür sind die Synapsen in unserem Gehirn verantwortlich. Einfach ausgedrückt, kann ich sagen: Je öfter man sich auf den Kontaktstellen zwischen den Nervenzellen bewegt, desto breiter wird der Weg!“

Eine ganz einfache Methode ist das Dankbarkeits-Tagebuch. Darin notiert man (idealerweise) täglich vor dem Schlafengehen drei Dinge aus den vergangenen Stunden, für die man dankbar ist. Hilfreich ist es auch, den persönlichen Glückmoment vom Tag niederzuschreiben. „Oft ist es das ganz Kleine“, verrät Röcklinger, die selbst seit vielen Jahren ein Glückstagebuch führt. „Das Aufschreiben ist dabei sehr wichtig. Selbst wenn man später nur selten darin nachliest!“

Als Drittes rät Andrea Röcklinger zu einfachen, ganz persönlichen Ritualen, die Glück spürbar machen: „Das kann ein kurzer Spaziergang sein oder ein Treffen mit Freunden. Auch Musik ist ein guter Ratgeber, ob aktiv am Instrument oder passiv als Zuhörer. Fünf Minuten können schon genügen!“

Die Betonung liegt auf „können“, denn wie sie erklärt, ist es wichtig, beim Glückstraining bestmöglich im Hier und Jetzt zu sein. Um störenden Gedanken entfliehen zu können, rät sie Klienten zum Beispiel drei rote Dinge zu nennen; oder drei Geräusche, die man gerade wahrnimmt; oder ganz bewusst tief Sonnenstrahlen einzuatmen und dann alles ausatmen, was Druck macht! „Diese kleinen Helferleins brauchen kaum Zeit und funktionieren immer und überall!“

Eines ist Andrea Röcklinger ganz wichtig: Der Positiven Psychologie geht es nicht ums Schönreden, sondern um Gefühle. Auch Angst und Trauer müssen in einem glücklichen Leben Platz haben dürfen. „Nach dem Verlust eines lieben Menschen dürfen wir trauern, um den Verlust zu verarbeiten. Wir müssen Schicksale nach einer gewissen Zeit aber annehmen können und wieder nach vorne blicken. Mitunter braucht es dafür Hilfe von außen. Denn auf manche Schicksale gibt es keine Antwort!“