„Kein Kunde wird im Stich gelassen“

Erstellt am 19. November 2013 | 23:59
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HOLLABRUNN, BEZIRK / Organisation spart Haus- und Heimservice ein. Für den FPÖ-Bezirkschef ist das nicht nachvollziehbar.
Von Christoph Reiterer

Das Haus- und Heimservice, das das NÖ Hilfswerk seit vielen Jahren „zur großen Zufriedenheit der Kunden“ anbietet, muss aus Kostengründen eingestellt werden. Eine Weiterführung sei finanziell nicht mehr tragbar. Für Christian Lausch (FPÖ) eine fragwürdige Entscheidung.

„Wir müssen Ihnen leider mitteilen, dass das Haus- und Wohnservice bis Jahresende 2013 in ganz Niederösterreich eingestellt werden muss.“ Diese Nachricht bekamen in den letzten Tagen zahlreiche Senioren auch im Bezirk Hollabrunn recht formlos übermittelt. Die Rentner hätten nun ausreichend Zeit, sich nach Alternativen umzusehen. Ein Witz meint Nationalratsabgeordneter Christian Lausch. Er hat mit einer verzweifelten Kundin gesprochen. „Die wollen uns alleine sterben lassen. Ich kann selbst nicht einmal eine Glühbirne wechseln“, habe die Dame geklagt.

Vor der Nationalratswahl sei die Tatsache vonseiten des Hilfswerks noch geleugnet worden, spricht Lausch gar von einem Skandal: „Man hat bewusst gelogen. Nun lässt man diejenigen, die unser Land aufgebaut haben, im Stich und vernichtet nebenbei noch Arbeitsplätze.“ Es handle sich um einen Akt der Grausamkeit. Das Hilfswerk solle sich eher „Geschäftswerk“ nennen. Es sei schäbig, am Rücken alter Leute zu sparen.

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„Es ist meine parlamentarische Pflicht, hier nachzuhaken“, betont Christian Lausch. privat
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Ein Minusgeschäft könne das Haus- und Wohnservice nicht sein, meint er. Schließlich würden die betreuten Personen einen Stundenlohn von 16,90 Euro pro Stunde berappen. Dazu kommen noch 3 Euro pro Anfahrt. Eine Servicekraft komme auf etwa 8 Euro netto. Der Freiheitliche fordert nun umfassende Aufklärung. „Man muss den Hilfsbedürftigen einen zufriedenstellenden Ersatz bieten.“

Die Kritik des Parlamentariers ist dem Hilfswerk sauer aufgestoßen. Geschäftsführer Christoph Gleirscher äußerte seinen Unmut in einem Brief an den Abgeordneten, der für Verunsicherung bei den Kunden gesorgt habe. Die Einstellung eines der über 100 Angebote im Gesundheits- und Sozialbereich bedeute keineswegs, dass die Versorgungssicherheit der Kunden gefährdet wäre.

„Wir lassen sicherlich niemanden im Stich, im Gegenteil: Wir bemühen uns, dass unsere Kunden weiter versorgt werden – zum Beispiel von unseren qualifizierten Heimhelfern“, so Gleirscher. Hilfswerk-Sprecherin Elisabeth Schreiner räumte zumindest ein, dass das Schreiben an die Kunden nicht ganz glücklich formuliert gewesen sei.

Auch ein soziales Unternehmen wie das Hilfswerk sei seinen Mitarbeitern, Kunden und den öffentlichen Fördergebern gegenüber verpflichtet, seine Leistungen grundsätzlich kostendeckend zu erbringen, so Gleirscher. Schlusssatz: „Allfällige rechtliche Schritte behalten wir uns ausdrücklich vor.“

Hilfswerk-Bezirksobfrau Margarete Rossipaul sieht die Diskussion gelassen: „Wir haben Meinungsfreiheit und es ist legitim, sich aufzuregen oder Sorgen zu machen. Ich habe aber auch Verständnis, wenn man einen Schlussstrich ziehen muss.“ Noch dazu sei die weitere Versorgung der angesprochenen 81-jährigen Frau bereits geregelt, wie Betriebsleiterin Martina Reinwein bestätigt. Die bisherige Pflegekraft wird das Hilfswerk verlassen und die Rentnerin auf selbstständiger Basis weiterbetreuen. Und auch Reinwein versichert: „Keiner wird im Stich gelassen. Das würden wir gar nicht übers Herz bringen.“

Es sei auch schon im Vorfeld des offiziellen Schreibens mit den Kunden über die Lage gesprochen worden und man sei jedem behilflich, eine gute Lösung für die Zukunft zu finden.

Hintergrund
• Seit 1998 werden in der Hilfswerk-Akademie Heimhelfer ausgebildet. Bis jetzt absolvierten 3.000 Männer und Frauen den Lehrgang. Mehr als 1.000 davon arbeiten derzeit beim NÖ Hilfswerk. Im Bezirk Hollabrunn unterstützen 47 Heimhelfer die Menschen, wenn der Alltag durch Alter oder Krankheit beschwerlicher geworden ist.
• Die 47 Heimhelfer, die im Bezirk Hollabrunn für 380 Kunden da sind, werden über die drei Hilfswerk-Standorte in Hollabrunn, Maissau und Pulkau koordiniert. m Im Rahmen der Ausbildung (je 200 Stunden Theorie & Praxis) geht es darum, wie ältere Menschen unterstützt werden können. Erste Hilfe und Kommunikation stehen ebenso am Stundenplan wie Mobilisation und Pharmakologie. Der nächste Infotag zur Heimhelfer-Ausbildung, die auch berufsbegleitend absolviert werden kann, findet am 12.12. statt.
• Die Kosten der Heimhilfe berechnen sich nach dem Einkommen des Kunden und werden vom Land NÖ gefördert.

Zitiert
„Sie werden verstehen, dass wir die bewusste negative Darstellung unseres Unternehmens so nicht hinnehmen können.“
Christoph Gleirscher, Hilfswerk-Geschäftsführer, in Richtung Lausch.

„Hätten sich die betroffenen Pensionisten selbst an die Medien gewandt, würde das Hilfswerk dann nun die im Stich gelassenen Pensionisten selbst klagen wollen?“
Christian Lausch, FPÖ

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