ÖVP in NÖ abgestürzt und vor Verlust der Regierungsmehrheit

Aktualisiert am 29. Jänner 2023 | 19:19
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Kandidatinnen und Kandidaten nach TV-Diskussion vor der Wahl
Kandidatinnen und Kandidaten nach TV-Diskussion vor der Wahl
Foto: APA
Die niederösterreichische Landtagswahl hat die erwartete schwere Niederlage der ÖVP gebracht, die laut Hochrechnungen auf einen historischen Tiefstand abgestürzt ist. Selbst "40 plus", wie von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner angestrebt, könnten verfehlt worden sein. Auch der Verlust der Regierungsmehrheit stand im Raum. Das Duell um Platz zwei ging klar an die FPÖ, die erstmals im Land vor der SPÖ landet. Grüne, auf Klubstärke, und NEOS legten jeweils leicht zu.

Laut einer aktualisierten SORA-Hochrechnung für den ORF kratzt die Volkspartei mit nur mehr 39,9 Prozent knapp an dem 40er - nach 49,63 Prozent im Jahr 2018. Die FPÖ erreicht demnach 24,8 Prozent und überholt die SPÖ, die laut Hochrechnung verliert und auf 20,8 Prozent kommt. Die Grünen erreichen 7,3 Prozent, die NEOS 6,4 Prozent. Mit den Einbußen verliert die ÖVP nicht nur die bisher gehaltene absolute Mandatsmehrheit im Landtag klar, sondern büßt auch die absolute Mehrheit in der Landesregierung ein: Sie kommt nur mehr auf vier der neun Landesregierungssitze. Bisher hielt die ÖVP bei sechs. Die 39,9 Prozent bedeuten auch den historischen Tiefststand, der bisher bei 44,23 Prozent lag (bei der Landtagswahl 1993).

Die FPÖ legt laut der SORA-Hochrechnung (Auszählungsgrad: 64 Prozent, Schwankungsbreite 1,3%) gegenüber 2018 stark zu (damaliges Ergebnis: 14,76 Prozent). Die SPÖ verliert demnach gegenüber 2018 (23,92 Prozent) und muss ihr historisch schlechtestes Wahlergebnis hinnehmen (bisher 21,57 Prozent im Jahr 2013). Die Grünen konnten gegenüber 2018 (6,43) etwas zulegen, die NEOS ebenfalls (2018: 5,15).

Bei den Landtagssitzen büßt die ÖVP laut SORA/ORF die bisher (mit 29 der 56 Landtagssitze) gehaltene absolute Mandatsmehrheit klar ein. Sie hält künftig nur mehr 23 Mandate. Die FPÖ kommt mit diesem Ergebnis auf 14 Sitze (2018: 8), die SPÖ auf nur mehr 12 (2018: 13). Die Grünen halten künftig bei 4 Sitzen (2018: 3) und haben damit Klubstärke, die NEOS bekommen 3 Mandate (3). Verloren sein dürfte auch die Mehrheit von ÖVP und Grünen im Bundesrat.

Sehr ähnlich fiel auch die für PULS24/ATV erstellte Hochrechnung aus. Die ARGE Wahlen sah die ÖVP auf 39,6 Prozent, die FPÖ auf 24,7 und die SPÖ auf 20,7 Prozent. Ähnlich präsentierte sich auch die Hochrechnung von OGM für Servus TV: Demnach kommt die ÖVP auf 39,9 Prozent, die FPÖ auf 24,3 Prozent. Die SPÖ wird mit 20,9 Prozent ausgewiesen, die Grünen mit 7,4 und die NEOS mit 6,4.

Landeshauptfrau und ÖVP-Spitzenkandidatin Johanna Mikl-Leitner sprach angesichts des schlechtesten Resultats seit 1945 von einem "schmerzlichen Ergebnis" und machte sich zur Aufgabe, das verlorene Vertrauen zurückzugewinnen. Sie ortete eine Protestwelle, die über das Land gerollt sei, ausgelöst durch weltweite Krisen "und vor allem durch Unzufriedenheit mit der Bundespolitik". Auf Ebene der Bundespolitik führte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) den Ausgang der niederösterreichischen Landtagswahl auf die "Gemengelage" verschiedenster Krisen wie Asyl, Pandemie und Teuerung zurück. Es seien "schlechte Zeiten für Regierende".

SPÖ-Spitzenkandidat Franz Schnabl wollte trotz des Abrutschens nichts von Personaldiskussionen wissen. "Warum soll Feuer auf dem Dach sein?", meinte er. In den anderen Landesparteien begann es allerdings bereits zu brodeln. Die burgenländische SPÖ zeigte sich enttäuscht und forderte eine Analyse der Ursachen, auch in der Steiermark wurde eine genaue Aufarbeitung gefordert.

Die Bundes-SPÖ startete umgehend die Absetzbewegung vom Wahlverlust. Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch hielt fest, "dass die heutige Wahl eine Landtagswahl ab, wo es um die Zusammensetzung im niederösterreichischen Landtag gegangen ist". Mit ihrem Themenwahlkampf sei die SPÖ dort nicht durchgedrungen, anders als die FPÖ. Diese habe nämlich durch die Themen Asyl und Migration Schützenhilfe von der ÖVP erhalten. Für SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner gab es hingegen nichts schönzureden, es sei "kein einfacher Tag für die Sozialdemokratie".

FPÖ-Spitzenkandidat Udo Landbauer sah das Ansprechen von Themen, die die Menschen bewegten, als Schlüssel zum Erfolg. Die FPÖ schloss eine weitere Zusammenarbeit mit Mikl-Leitner aus, auch zur Landeshauptfrau werde man sie nicht wählen. Für Obmann Herbert Kickl war der Sonntag ein "Tag der Freiheit für die Niederösterreicher".

Grünen-Spitzenkandidatin Helga Krismer sah im Plus für ihre Partei eine "starke, kräftige Stimme für die Zukunft". Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) ortete ein "erfreuliches Ergebnis" seiner Partei. Krismer habe "das letzte Hemd gegeben".

Ebenfalls zufrieden war man bei den NEOS. Spitzenkandidatin Indra Collini freute sich über ein "schönes Ergebnis" sowie ein "solides Wachstum" ihrer Partei. Generalsekretär Douglas Hoyos sah ein "sehr solides Ergebnis" eingefahren. Parteichefin Beate Meinl-Reisinger freute sich über ein Viertel mehr Wähler.

Die Niederösterreich-Wahl hatte nicht nur landespolitisch Brisanz, sie wird auch als Stimmungstest für den Bund gewertet. Mit Kärnten und Salzburg bestimmen am 5. März bzw. 23. April zwei weitere Länder die Neuzusammensetzung ihrer Landesparlamente.