"Nur als Begleitperson": Aus für Wahlhebammen in NÖ-Kliniken

Am Dienstag erhielten die Kreißsaal-Leitungen der NÖ-Landeskliniken einen internen Brief aus der Landesgesundheitsagentur (LGA). Darin heißt es, das mit Ende März alle laufenden Verträge mit freiberuflichen Hebammen gekündigt werden. Werdende Mütter, die eine Wahlhebamme zur Geburtsbegleitung in den Landeskliniken engagiert haben, reagieren verunsichert.
Wortwörtlich heißt es in dem Rundbrief: „Die Evaluierung hat ergeben, dass zukünftig in den NÖ Kliniken keine Wahlhebammentätigkeit erfolgen wird.“ Und zur Stellung der Wahlhebammen: „Die freiberufliche Hebamme ist wie eine persönlich begleitende Person (z.B. werdender Vater) zu betrachten und hat zu keinem Zeitpunkt Einfluss auf die medizinische Behandlung im UK/LK (Universitätsklinikum, Landesklinikum; Anmerkung.)
Die Betreuung durch Begleithebammen sei auch weiterhin in allen NÖ Kliniken mit Geburtenstation möglich und erwünscht.
Die LGA spricht nun nach einem ersten Wirbel in Social Media-Kanälen von "Falschmeldungen" und einer "Fehlinterpretation" des Briefs. Sie stellt klar, dass auch nach dem 31. März 2023 werdende Mütter während der Geburt in den NÖ-Kliniken von selbst gewählten Begleithebammen "vollumfänglich" begleitet werden können - "allerdings unter Leitung der diensthabenden Hebamme oder der Ärztin/des Arztes, bei der/dem die fachliche Letztentscheidung liegt." Neu sei, dass künftig dazu kein Vertrag zwischen dem Klinikum und der Begleithebamme erforderlich sein wird, so die Landesgesundheitsagentur gegenüber der NÖN.
"Wir Hebammen sind keine Begleitpersonen, die bei der Geburt dabeistehen und Hand'erl halten. Wir helfen den Frauen, dass sie die Kinder auf gute Weise und selbstständig auf die Welt bringen können."
-Lisa Sanchez, freiberufliche Hebamme
Lisa Sanchez ist freie Hebamme aus Herzogenburg (Bezirk St. Pölten) und sieht in der "Richtigstellung der LGA" lediglich den Versuch Wogen zu glätten, ohne dass die Agentur von ihrem Standpunkt abweicht.
„Wir Hebammen sind keine Begleitpersonen, die bei der Geburt dabeistehen und Hand'erl halten. Wir helfen den Frauen, dass sie die Kinder auf gute Weise und selbstständig auf die Welt bringen können, dazu brauchen wir einfach die Option einer Vaginaluntersuchung, Herztonkontrolle, zum Venflon legen und letztlich Baby empfangen. Eine Geburt als reine Begleitperson ist sinnlos", sagt Sanchez. Sie kritisiert eine künstliche Hierarchisierung von angestellter und freiberuflichen Hebamme, die ja "gleichberechtigt" seien, und nicht unter der Leitung der anderen arbeiten können.
Vertragskündigungen würden Patientinnenwohl gefährden
Abgesehen davon hätten diensthabende Hebammen in den Kliniken durch einen Wegfall von Wahlhebammen mehr Frauen zu begleiten. "Momentan betreue ich Frauen ab Wehenbeginn nahtlos und 1:1 bis zur Geburt ihres Kindes. Zur Geburt und bei Regelabweichungen hole ich die diensthabende Gynäkologin dazu. Die diensthabende Hebamme ist für die Betreuung der übrigen Frauen zuständig. Wenn sie sich zusätzlich um 'meine' Patientin kümmert, ändert sich der Betreuungsschlüssel für alle anwesenden Frauen zum Negativen. Die diensthabende Hebamme ist für mehr Frauen gleichzeitig zuständig, die Patientinnensicherheit gefährdet", so Sanchez.
Außerdem sei für werdende Mütter, die Opfer sexueller Gewalt wurden oder eine Totgeburt erleben mussten, eine umfassende Geburtsbegleitung alternativlos. Schwangere aus Niederösterreich werden nun nach Wien und Oberösterreich ausweichen - oder sich für eine Hausgeburt entscheiden, befürchtet die Wahlhebamme. "Das ist nicht der Sinn davon. Hausgeburt muss eine freie Entscheidung sein und nicht unter so einem Zwang."
LGA will Ausfälle und Haftungsfragen verhindern
Primärer Grund für den Brief und Entschluss der Landesgesundheitsagentur ist offenbar ein Rechnungshofbericht von 2021. Der Rechnungshof empfiehlt darin, die rechtlichen Rahmenbedingungen für Geburtsbegleitungen durch Wahlhebammen "umfassend zu klären". Etwa im Fall von Hebammen, die Teilzeit in einem Krankenhaus angestellt sind, dort aber auch als freiberufliche Hebamme Frauen bei der Geburt begleiten.
Außerdem will damit die Landesgesundheitsagentur Ausfälle bzw. Beeinträchtigungen im Dienstplan vermeiden, etwa wenn eine Hebamme zum Zeitpunkt einer persönlich zu begleitenden Geburt eigentlich für den normalen Dienst im Spital eingeplant ist oder nach bzw. vor ihrem normalen Dienst als freie Hebamme eine werdende Mutter begleitet. Hier stelle sich die Frage der Haftung im Fall des Falles.
Für Sanchez ist das nicht schlüssig. „Ärzte dürfen in Landeskliniken 24-Stunden-Dienste absolvieren. Früher waren es sogar 36-Stunden-Dienste. Und bei einer Hebamme stellt sich nach zwölf Stunden die Haftungsfrage? Fraglich, inwieweit da gleichberechtigt agiert wird.“ Sie versteht die Grundproblematik, kritisiert jedoch, dass seitens der LGA weder mit dem Hebammengremium als Standesvertretung noch mit den Kreißsaal-Leitungen vorab gesprochen wurde. Mit einer Online-Petition wollen sich nun Hebammen, Mütter und Unterstützer gegen die Vertragskündigungen durch die LGA wehren. Mit Stand Donnerstag, 13 Uhr, wurde die Petition über 25.000 Mal unterzeichnet.
FPÖ fordert Rücknahme der Kündigungen und "legale Arbeitsgrundlage"
Die Freiheitlichen in Niederösterreich kritisierten am Donnerstag die Vertragsaufkündigungen durch die LGA scharf. Sie sehen darin eine Degradierung der Hebammen und befürchten eine Zuspitzung des Hebammenmangels. „Das bedeutet eine massive Verschlechterung für die werdenden Mütter und ihre Babys und muss sofort zurückgenommen werden“, heißt es von FPÖ-Landesparteisekretär Andreas Bors in einer Presseaussendung.
Das Wohl der Kinder und Mütter müsse im Vordergrund stehen. Bors fordert eine Rücknahme der Vertragskündigungen durch die LGA und klare rechtliche Grundlagen, um den betroffenen Geburtshelferinnen auch künftig "eine legale Arbeitsgrundlage" zu ermöglichen.