EVN: Satter Gewinn, aber auch herbe Verluste

Die Bevorratung von Erdgas im Vorjahr, das die EVN zu „historisch“ hohen Großhandelspreisen angeschafft hat, Rückstellungen und Stichtagsbewertungen sorgten für ein wachsendes Minus bei der EVN KG, der Vertriebsgesellschaft des Konzerns. EVN-Vorstandsdirektor Stefan Szyszkowitz sprach am Donnerstag im Rahmen der Halbjahresbilanz-Präsentation in Wien von einem „massiven Ergebnisdruck“ auf die KG. „Alle unsere Endkunden zu kündigen und die Energie direkt an den Börsen zu vermarkten, wäre für uns keine Alternative gewesen. Wir sind ein verlässlicher Versorger und setzen weiterhin auf Stabilität und Sicherheit für unsere Kunden“, erklärt Szyszkowitz.
Zur Absicherung des Vertriebs war jedenfalls mehr Geld („Working Capital“) aus der Konzernkassa notwendig: Bis zu 300 Millionen Euro, mehr als gewöhnlich, werden voraussichtlich für die Energieabsicherung im laufenden Geschäftsjahr notwendig sein. Deutlich höhere Investitionskosten als in den Vorjahren führen unterm Strich zu einer größeren Nettoverschuldung von 1,7 Milliarden Euro.
Preisrabatte für EVN-Kunden ab Herbst möglich
„Aus heutiger Sicht könnte es in den kommenden Monaten zu einem weiteren Rückgang der Großhandelspreise um rund 15 bis 20 Prozent kommen. Diese Verbesserung im Einkauf könnte dann die EVN KG im Herbst für zusätzliche Bindungsrabatte zur Kostenentlastung für Kunden der EVN KG nutzen", hieß es am Donnerstag zur APA.
Angesichts sinkender Großhandelspreise und der Ankündigung einer Sonderdividende von 111 Millionen Euro an die Aktionäre - auch an das Land NÖ als Mehrheitseigentümer - wächst jedenfalls der politische und öffentliche Druck auf die EVN, die (Strom-) Preise zu senken: Von einer Komplettübernahme in das Landeseigentum (Grüne) wie in der Steiermark (Energie Steiermark), Landesverzicht auf Sonderdividende-Anteile (NEOS) bis hin zu „Preis senken!“-Rufe (NEOS, FPÖ und SPÖ) herrscht ein Wirbel um die EVN. "80 Prozent der Strom-Haushaltskunden in Niederösterreich haben einen Preis von 16 Cents pro Kilowattstunde“, stellt Szyszkowitz klar. Durch die Maßnahmen des Landes und Bundes sei der Preisanstieg nachhaltig gedämpft worden. Außerdem habe die EVN zur Abfederung einen Sozialfonds mit drei Millionen Euro aufgelegt.
Ein Verzicht auf die Sonderdividende-Anteile durch das Land NÖ gilt als sehr unverwahrscheinlich: Der „blau-gelbe Strompreis(landes)rabatt“ werde aus der Dividende von Landesbeteiligungen und Gewinnen der EVN finanziert, "das heißt, wir haben einen Vorgriff gemacht", erklärte kürzlich Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner.

Als Konzern stehe die EVN jedenfalls „robust“ da. Das zeigt der Konzerngewinn über alle Segmente (Erzeugung, Energie, Netze, Südosteuropa, Umwelt) von 214,7 Millionen Euro (+ 70,6 Prozent) von Oktober bis März. Auch der Umsatz wuchs um 3,1 Prozent auf rund 2,19 Milliarden Euro. Positiv auf das Konzernergebnis und als Profitbringer wirkten Nachholeffekte aus dem Südosteuropa-Geschäft, realisierte Umweltprojekte im internationalen Projektgeschäft und leichte Verbesserungen im Energieerzeugungsbereich.
Kündigungen waren „alternativlos“
Was die gekündigten rund 280.000 „Optima Klassik“- EVN Kunden angeht, haben bisher 180.000 den Umstieg auf den angebotenen Alternativ-Tarif der EVN gewählt. Das Kündigungsschreiben hat viele langjährige EVN-Kunden überrascht, speziell Ältere verunsichert und sorgt weiterhin für Unverständnis. Szyszkowitz spricht von einer „historischen Herausforderung“ für die EVN.
„Nachdem 20 Jahre nach der Liberalisierung es noch immer keine gesetzliche Bestimmung gibt, die sowohl für Kunden als auch Lieferanten Rechtssicherheit garantiert, waren wir gezwungen, das klassische Portfolio auslaufen zu lassen“, sagt Szyszkowitz. Das sei in juristisch, korrekter Form passiert und wäre „alternativlos“ gewesen. Ohne die Kündigung hätten sich die Tarife der Klassik-Kunden auf der vertraglich festgelegten Indexierung an den ÖSPI und ÖGPI im April stark erhöht. Im letzten Krisenwinter habe die EVN jedenfalls rund 40.000 Kunden, gekündigt von Billiganbietern oder sonstige Wechsler, dazugewonnen.
Während vor 18 Monaten noch 62 alternative Energieanbieter mit ihren Strom-und Gas-Tarifangeboten im E-Control Tarifkalkulator gelistet wurden, waren es im Jänner 2023 nur mehr 12 Anbieter. Das Geschäftsmodell vieler (Billig-)Anbieter basiert auf Energieeinkäufen am Spotmarkt, der im Herbst 2022 zu historischen Preisen heiß lief und nun wieder günstigere Großhandelspreise bietet. Die Zahl der alternativen Energieanbieter steigt nun wieder an - bis zur nächsten Energiekrise, wie einige Experten warnen.
Sonderdividende: 56 Millionen Euro an das Land NÖ
Aus der Verbund-Beteiligung erhält die EVN 158 Millionen Euro. Diese soll großteils als Sonderdividende zu 111 Millionen Euro an die Aktionäre weitergegeben werden. An das Land NÖ, als Mehrheitseigentümer der EVN (51 Prozent), könnten je nach Beschluss der Hauptversammlung 56 Millionen Euro fließen. Der Rest fließt in das 600 Millionen Euro hohe Investitionsprogramm, etwa für den Netzausbau. Damit wolle der Landesenergieversorger eine „führende Infrastrukturrolle“ in NÖ einnehmen.
Konkret will die EVN bis zum Jahr 2030 die Windkraft von 407 Megawatt auf 750 Megawatt ausbauen und die Photovoltaik von 26 auf 300 Megawatt steigern, etwa durch den Bau großflächiger PV-Anlagen in Trumau oder Dürnrohr. Drei Viertel der Investitionen, in den Netzausbau, Erneuerbaren-Ausbau und Trinkwasserversorgung, sind in Niederösterreich geplant.