Von Fracking bis Atomkraft: NÖ-Industrie lehnt „Denkverbote“ ab

NÖN: Der Gaspreis erreichte kürzlich ein 18-Monatstief. Ist die Krise vorbei?
Thomas Salzer: Von vorbei kann keine Rede sein. Die Energiepreise sind noch immer etwa drei bis vier Mal so hoch wie vor Corona und weder in Privathaushalten noch in vielen Bereichen der Industrie angekommen. Für energieintensive Unternehmen ist das aber eine gewisse Entlastung und hilft wieder wettbewerbsfähiger zu sein.
Bis zu 150 Millionen Euro an Energiehilfen kann heuer ein Unternehmen vom Bund beantragen. Das ist sehr viel Geld. Ist das wirklich notwendig?
Salzer: Der Energiekostenzuschuss ist für die wettbewerbs- und exportorientierte Industrie ganz, ganz wichtig. Wir stehen mit Unternehmen in Ländern in einem starken Wettbewerb, die von anderen günstigen Energien profitieren. In der Breite kann man aber diskutieren, ob der Zuschuss wirklich gebraucht wird. Es wird nur ganz wenige Unternehmen geben, die Hilfen in Höhe von 150 Millionen abrufen. Der Energiekostenzuschuss ist ja bei den jetzigen Marktpreisen im Verhältnis zu denen in 2021 nur sehr gering.
Das heißt, mit dem Energieschutzschirm des Bundes ist die NÖ-Industrie wieder wettbewerbsfähig und alles ist paletti für den Standort?
Salzer: Es wäre alles paletti, hätte man schon sehr früh im Jahr 2021 reagiert. Wir haben jetzt zwar wieder bessere Energiepreise – was auch daran liegt, dass viele Industrien weniger produzieren –, aber auf der anderen Seite eine massive Marktschwäche. Eigentlich bräuchten wir zusätzlich für jene Betriebe, die wegen Auftragsmangels nicht produzieren können, wieder Kurzarbeit.
Sie befürworten Gas-Fracking im Weinviertel. Sehen Sie keine Konflikte in Sachen Klimaschutz und Energiewende?
Salzer: Aus globaler Sicht ist es ja so: Wenn wir Gas in Österreich mit Tiefen-Fracking fördern, das nicht ins Grundwasser geht und sauber möglich ist, dann ist das sicher ökologischer und sauberer als wenn wir schmutzig gefracktes Gas aus Nordamerika holen, das dann teuer komprimiert werden muss, um es dann mit Schiffen nach Europa zu transportieren. Es ist schon etwas bedenklich, dass wir in Österreich sagen: „Fracking ist böse“, aber dann aus anderen Ländern Fracking-Gas zukaufen, das mit alten, schmutzigen Technologien gefördert wird.
Bis zu 30 Jahre braucht die NÖ-Industrie noch Gas. Warum dauert der Ausstieg aus den Fossilen dort so lange?
Salzer: Weil es keine anderen Energieformen in der Menge gibt, mit der wir industrielle Prozesse mit diesem Energiebedarf in Österreich versorgen können. Denken Sie an die energieintensive Industrie – von Stahl, Papier, Rohstoffen bis hin zu Lebensmitteln. Genau diese Produkte wollen wir ja eigentlich hier halten und produzieren und nicht aus China oder anderen Ländern, wo sie viel schmutziger hergestellt werden, importieren. Wenn wir diese Industrien hier haben wollen, dann müssen wir ihnen auch Energie zur Verfügung stellen. Wir haben keine anderen Alternativen. Das sind Betriebe, die 24 Stunden am Tag arbeiten. Damit fällt schon einmal das Thema Photovoltaik in der Nacht aus. Wir haben das berühmte Wort „Winter-Wind-Stille“, wo wir manchmal über Tage keine Photovoltaik und zu wenig Wind haben. Auch in dieser Zeit müssen wir ihnen Energie zur Verfügung stellen können. Hier gibt es wahrscheinlich in den nächsten 20 bis 30 Jahren keine Alternative zu Gas. Es sei denn, wir bauen große Atomkraftwerke, damit wir aus ganz billigem Strom auch Dampf erzeugen können.
Energieexperten sagen, dass Österreich immer in irgendeiner Form von Energieimporten abhängig sein wird. Ist es dann möglich, energieintensive Industrien langfristig in Österreich zu halten?
Salzer: Ich bin überzeugt, dass es langfristig möglich ist, auch eine energieintensive Industrie am Standort Niederösterreich und in Europa zu halten. Aber wir müssen halt Energieressourcen dafür zur Verfügung stellen. Die Ressourcen dafür gibt es. Wir werden uns aber auch von manchen geliebten Dingen, wie zum Beispiel auch der Frage „Darf es in Österreich jemals Atomkraftwerke geben?“ langfristig verabschieden müssen, wenn wir vom CO2-intensiven Verbrennen von fossilen Energien wegkommen wollen.
Bei der Landtagswahl in NÖ hat die Volkspartei ihre Absolute sowohl im Landtag als auch in der Regierung verloren, während die FPÖ einen historischen Wahlsieg erntete. Welche Auswirkungen hat das Wahlergebnis Ihrer Meinung nach auf den Wirtschaftsstandort?
Salzer: Wenn wir eine Landesregierung haben, die konstruktiv weiter am Wirtschaftsstandort arbeitet, wird das keine negativen Auswirkungen haben. Davon gehe ich aus. Absolute Mehrheiten gibt es nur mehr in ganz wenigen Fällen in Europa. Wir sind halt in der politischen Realität angekommen. Wenn man sieht, dass das Wahlrecht extra geändert wurde (Anmerkung: Zweitwohnsitzer waren im Gegensatz zur LTW 2018 nicht mehr wahlberechtigt) und davon vor allem die ÖVP massiv getroffen wurde, und wenn man sich die Themen ansieht, die für fast 25 Prozent der Wähler ausschlaggebend waren, dann sind die knapp 40 Prozent eigentlich ein sensationell gutes Ergebnis für die ÖVP.
Wirtschaftslandesrat Jochen Danninger wird VPNÖ- Klubchef, die Wirtschaftsagenden will die Volkspartei behalten. Welche Rolle kommt der FPÖ zu?
Salzer: Dazu kann ich nichts sagen, ich bin nicht in die Verhandlungen involviert. Jochen Danninger hat seine Arbeit sehr gut gemacht. Mit ihm gibt es eine gute Gesprächs- und Vertrauensbasis. Ob und welche Rolle die FPÖ in dieser Regierung übernimmt, wird man sehen. Das hängt davon ab, wie sich die Freiheitlichen in diesen Verhandlungen verhalten und ob sie konstruktiv an der Zukunft Niederösterreichs arbeiten wollen.