Revolutionäre Krebstherapie jetzt auch in St. Pölten

Für Menschen mit Krebsdiagnose gab es bisher wenig vielversprechende Alternativen, wenn konventionelle Behandlungen wie Chemotherapie nicht anschlugen. Das hat sich geändert. Seit einigen Jahren fahren Ärztinnen und Ärzte mit der sogenannten CAR-T-Zell-Therapie große Erfolge ein. Jetzt bietet sie auch das Universitätsklinikum St. Pölten an. Zwei behandelte Personen gelten bereits als krankheitsfrei, eine wird demnächst in Behandlung genommen.
Die grundlegende Idee hinter diese Therapieform ist, Tumorzellen nicht im Rahmen einer Chemotherapie ungezielt durch Zellgifte zu zerstören, sondern das körpereigene Abwehrsystem so zu verändern, dass der Körper die Krebserkrankung selbst gezielt bekämpft.
Das passiert, indem den Patientinnen und Patienten Plasma und darin enthalten eine bestimmte Art von Abwehrzellen entnommen wird. Diese Abwehrzellen werden dann gentechnisch verändert, bis sie an der Oberfläche eine spezielle Andockstelle für die Zellen des Tumors entwickeln. Die so veränderten Zellen werden außerhalb des Körpers vermehrt und den Patientinnen und Patienten im Anschluss als „lebendes Medikament“ neuerlich per Infusion verabreicht.
Mit Hilfe dieses Rezeptors an der Oberfläche findet die Abwehrzelle die Tumorzelle und kann sie gezielt zerstören. Da es sich um körpereigene Zellen handelt, sind diese gut verträglich, vermehren sich selbstständig weiter und können so die Tumorzellen über lange Zeiträume bekämpfen.
Es reicht auch nur eine einzige Behandlung, informiert Martin Wiesholzer, Leiter der Klinischen Abteilung für Innere Medizin. Außerdem sind die Nebenwirkungen im Gegensatz zum „Holzhammer“ Chemotherapie gering, bekannt und gut behandelbar. Die Heilungschance liegt bei rund 40 Prozent. Und die Erfahrungswerte sind groß, denn St. Pölten ist bereits das sechste Zentrum in Österreich, dass diese Methode anwendet.
Weitere Anwendungsbereiche schon am Horizont
Die CAR-T-Zell-Therapie revolutioniert die Krebsbehandlung und generell die Immuntherapie, ist sich der Primar sicher. Wie stark, lässt sich heute noch gar nicht vorhersehen. Momentan liegt das Einsatzgebiet in der Behandlung von Lymphdrüsenkrebs und bestimmten Plasmazellerkankungen, aber die Forschung für andere Anwendungsgebiete laufe auf Hochtouren. „In den USA wird die Therapie schon für andere Plasmazellerkrankungen eingesetzt, und wir warten schon sehnsüchtig, das auch in Europa zu implementieren.“
Dass Körperzellen so verändert werden, dass sie Tumorzellen erkennen, andocken, und zerstören, sei ein komplett neues Verfahren. Und bei Lymphdrüsenkrebs schon längst aus dem Forschungsstadium in die Routine übergegangen, erklärt der Arzt.
Aufwendiges Drumherum, effiziente Behandlung
Theoretisch könnte das Universitätsklinikum mit seinen Kapazitäten alle Patientinnen und Patienten in Niederösterreich mit dieser Krebsform behandeln, sagt Wiesholzer. Doch es scheitert an den Rahmenbedingungen. Denn noch ist die CAR-T-Zell-Therapie sehr aufwendig. Die entnommen Zellen werden schockgefroren und in flüssigem Stickstoff nach Amsterdam gebracht, wo die einzige Zellfabrik liegt, die die Abwehrzellen auf diese Weise gentechnisch verändern kann. Dann geht die Lieferung zurück nach St. Pölten. Sollten in Zukunft die Zellveränderungen lokal durchgeführt werden können, also im Universitätsklinikum St. Pölten, würde das den Prozess schon erheblich erleichtern.
Außerdem sei alleine der Zertifizierungsprozess, um diese Therapie durchführen zu dürfen, sehr aufwendig gewesen, sagt Wiesholzer. Und der letzte erschwerende Faktor: die Kosten. Denn bislang belaufen sie sich auf 250.000 Euro pro Person. Aber auch hier muss die kürzere Behandlungsdauer und der kürzere Aufenthalt im Spital, die bessere Verträglichkeit sowie die einmalige Gabe des Präparats miteinberechnet werden. Denn Patientinnen und Patienten können nach wesentlicher kürzerer Zeit nach Hause, als bei der herkömmlichen Krebstherapie.
„Nach der Einführung der autologen Knochenmarkstransplantation im Jahr 2019 und der Schaffung einer Bettenstation zur Behandlung akuter Leukämien ist die Etablierung der CAR-T-Zell-Therapie am hämatoonkologischen Zentrum in St. Pölten ein weiterer wichtiger Schritt in der Versorgung niederösterreichischer Patientinnen und Patienten mit innovativen und zukunftsträchtigen Krebstherapien“, resümmierte auch Landesrat Ludwig Schleritzko beim Besuch auf der Station.