Wirbel um große Wohnbau-Pläne in Langenlebarn

An der Adresse Tullner Straße 41-43 will ein privater Wohnbauträger eine Anlage mit sechs Wohnungen und gleich dahinter ein Haus mit zwei weiteren Wohneinheiten errichten. So weit nichts Ungewöhnliches. Auf beiden Seiten daneben, dahinter und auch gegenüber befinden sich allerdings ausschließlich Einfamilienhäuser.
Die absehbare Folge: Die Anrainer steigen auf die Barrikaden. Sie sprechen von einem „Monsterprojekt“, durch den Betonklotz mit einer Länge von 26 Metern und einer Höhe von bis zu 12 Metern werde das Ortsbild nachhaltig umgebildet.
„Wir sehen schon ein, dass Verdichtung möglich und notwendig ist, aber doch bitte nicht in dieser extremen Form.“ Michael Hanzl
Friedrich Trofeit, Ludwig Flessl, Kathrin Hetsch, Franz Eichberger und Michael Hanzl belassen es nicht beim Protest. Sie gründeten ein überparteiliches Personenkomitee. Mit einer Unterschriftenaktion wollen sie einen Baustopp und die Bewahrung des Ortsbildes in Langenlebarn erreichen.
Die Katastrale dürfe keine riesige Wohnbausiedlung von Tulln werden, der dörfliche Charakter solle bewahrt werden. Verdichtung könne in speziellen Gegenden, wie der Tullner Innenstadt, gerne forciert werden, Langenlebarn sollte jedoch ab sofort davon ausgenommen werden. Ganz so einfach ist es nicht, das wissen auch die Protestierenden.
„Wir sehen schon ein, dass Verdichtung möglich und notwendig ist, aber doch bitte nicht in dieser extremen Form“, sagt Michael Hanzl im Gespräch vor Ort. Reihenhäuser, die sich besser ins Gesamtbild fügen, oder auch eine niedrigere Anlage mit weniger Einheiten und mehr Grün, es hätte viele bessere Möglichkeiten gegeben. Außerdem gehe es bei dem Komitee auch um die allgemeine Entwicklung.
„Immer öfter bekommen Häuslbauer keine Grundstücke, weil gewerbliche Bauträger die Preise nach oben treiben und dann naturgemäß die Flächen und Kubaturen bis zum Letzten ausreizen“, sagt Hanzl.
Kein Recht, das Projekt abzulehnen
Das aktuelle Bauprojekt wurde bereits genehmigt, eine Berufung in erster Instanz abgewiesen. Die Stadtgemeinde habe gar nicht anders handeln können, heißt es dazu aus dem Rathaus: Bauwerber können Projekte auf Basis der geltenden Bebauungsvorschriften einreichen. Werden diese eingehalten, so habe eine Gemeinde auch kein Recht, die Einreichung abzulehnen.
„Dementsprechend hatte Vizebürgermeister Harald Schinnerl als zuständiger Baustadtrat das kritisierte Projekt zu genehmigen. Behauptungen, dass es für die Gemeinde aufgrund § 56 der NÖ Bauordnung zum Schutz des Ortsbildes die gesetzlichen Möglichkeiten gegeben hätte, das Projekt zu verhindern, entbehren jeder fachlichen Grundlage“, erklärt Bauamtsleiter und Bausachverständiger Ronald Gutscher.
Auch im Vorfeld hätte die Stadtgemeinde dieses Projekt durch rechtzeitige Abänderungen der Bebauungsvorschriften nicht verhindern können. Denn die notwendigen Adaptierungen im Flächenwidmungsplan und Bebauungsplan hätten von der Aufsichtsbehörde des Landes NÖ aufgrund einschlägiger Vorgaben keine Genehmigungen erhalten. Begründung: Das Areal verfügt über sämtliche infrastrukturelle Voraussetzungen (Durchzugsstraße, Straßenbreiten, Zufahrtsmöglichkeiten, Einbauten, etc.), die eine stärkere Verbauung zulassen.
„Selbstverständlich haben wir bereits vor einigen Jahren versucht, die Bebauungsvorschriften in diesem Bereich so zu ändern, dass zwar durchaus eine Verdichtung stattfinden kann, aber die Größe der Bauten moderat sein sollte. Hätte dies bei der Aufsichtsbehörde eine Chance auf Genehmigung gehabt, wäre die Empörung der Nachbarn heute sicher geringer“, sagt der Ortsvorsteher von Langenlebarn, Vizebürgermeister Wolfgang Mayrhofer. Der Tullner Gemeinderat sei daher auch der falsche Adressat für diese Anrainerproteste.
Einschränkungen, wo sie möglich sind
Anders als bei dem kritisierten Bauprojekt konnte die Stadtgemeinde im Großteil von Langenlebarn Richtlinien erlassen, die – so wie in Tulln – auf langsameres Wachstums ausgerichtet sind. Wesentliche Instrumente dazu sind die Einschränkung z.B. auf drei Wohneinheiten pro Parzelle und die Festlegung von hinteren Baufluchtlinien.
Grundsätzlich verfolgt die Stadt das Prinzip der Innen- vor Außenentwicklung, was auch vom Gemeinderat im Rahmen des örtlichen Entwicklungskonzeptes einstimmig beschlossen wurde. Das bedeutet, dass Zentrumszonen bzw. Durchzugsstraßen eher für verdichteten Wohnbau genutzt werden, als weiter in die Breite zu wachsen und somit wertvolle Bodenflächen zu versiegeln.
Das NÖ Raumordnungsgesetz gibt den rechtlichen Rahmen (...) vor. … ein Bebauungsplan stellt lediglich ein Instrument dar, mit dem die Gemeinden div. Regelungen festlegen können. Hinsichtlich der „Verdichtung“ könnte dies beispielsweise die Festlegung einer Bebauungsdichte, Gebäudehöhen, Baufluchtlinien oder Ähnliches sein. Diese Festlegungen dürfen wiederum nur im Rahmen der rechtlichen Vorgaben erfolgen und benötigen eine entsprechende Grundlagenforschung, um einer Verordnungsprüfung durch den Verfassungsgerichtshof standhalten zu können.
Severin Nagelhofer
Amt der NÖ Landesregierung, Abt. Bau- und Raumordnungsrecht