Archäologen graben auf Abrissgrundstück in Zwettl

In der Zwettler Innenstadt auf kulturhistorischem Boden sind Archäologen unterwegs. Es wird vermessen, gegraben und gesiebt. Nach dem Abriss leer stehender Gebäude an der Landstraße 43, 46 und 50 sowie in der Bürger-/Florianigasse blieb eine unbebaute Fläche zurück. Die Bau- und Siedlungsgenossenschaft Waldviertel (WAV) beabsichtigt, auf dem Areal ein Wohnbauprojekt mit Tiefgarage zu errichten.

Vor Baubeginn sind jedoch Archäologen gefragt. Im Auftrag des Bundesdenkmalamtes versuchen sie, aus dem Boden wertvolle historische Reste zu dokumentieren und zu sichern.
Die Hauptachse der Stadt, die Landstraße, bildet den kulturhistorisch wertvollsten Stadtteil. Laut Beschreibung des Bundesdenkmalamtes befindet sich das Stadtzentrum um die im Kern mittelalterliche, barock und neugotisch überformte Stadtpfarrkirche, das spätgotische Rathaus und die barocke Dreifaltigkeitssäule. Der Großteil des Baubestandes der Landstraße geht im Kern auf das 16. Jahrhundert zurück.
Dunkle Stellen im Boden sind von Bedeutung
Vor Ort sind der Grabungsleiter Günter Marschhauser und sein Kollege beschäftigt, um kulturhistorisch bedeutsame Bodenteile einzugrenzen. „Wir waren im letzten Jahr mit Versuchsgrabungen vor Ort, um den Untergrund erstmals bewerten zu können. Jetzt, wo wir direkt genauer dran sind, fanden wir bereits historische Fundamente und mittelalterliche Abfallgruben“, berichtete der Archäologe von der Grabungsfirma Ardig- Archäologischer Dienst.

An dunklen Ringen, welche sich vom Untergrund abheben, erkennt man, dass diese Stellen von großer Bedeutung sind. Für den Laien so gut wie nicht erkennbar, ragen schwarz-graue Tonscherben aus diesen Bereichen hervor. „Alles, was dunkel ist, ist historisch interessant“, bestätigte Ardig-Geschäftsführer Gottfried Artner.
Manche Zwettler sehen die baulichen Veränderungen in ihrer Stadt mit gemischten Gefühlen. „Denkmäler sind erhaltenswerte Werke, die für frühere Kulturen Zeugnis ablegen“, lautet eine einschlägige Definition. Der Denkmalschutz ist die Fortschreibung des Bestehenden. Die Beurteilung, was alles erhaltenswert ist, gilt, auch für die Zwettler Innenstadt.
Im Jahr 2000: Novelle des Denkmalschutzes
Am 1. Jänner 2000 trat bundesweit eine Novelle zum Denkmalschutz in Kraft. Kulturgüterschutz im Sinne der Haager Konvention sollte erstmals innerstaatlich geregelt sein. Die von 1971 bis 1984 angebrachten und vielfach an Gebäuden noch auffindbaren Schutzzeichen im Sinn der Haager Konvention hatten damit ihre Gültigkeit verloren. Anna Kaiser vom Zentrum für Kulturgüterschutz bestätigt die Auswirkungen für die Zwettler Altstadt.
„Auf vormaligen Karten hatten große Teile der Zwettler Altstadt eine unterschiedliche Wertigkeit für den Kulturgüterschutz. Jetzt beschränkt man sich hauptsächlich auf einen Ensembleschutz. Das bezieht sich beispielsweise auf ein denkmalgeschütztes Gebäude, das gleichzeitig in Krisenzeiten durch den Kulturgüterschutz nicht in Kampfhandlungen einbezogen werden sollte“, erläutert die Universitätsprofessorin Anna Kaiser.
Für die Stadt Zwettl bedeutet dieser Umstand, dass die Altstadt baulich veränderbarer ist als vor der Gesetzesänderung. Bürgerbefragungen und ähnliche Instrumente der Entscheidungsfindung sind weiterhin möglich. „Die Denkmalanlage des Stiftes Zwettl wird im Sinne des Kulturgüterschutzes ähnlich bewertet“, ergänzt Friedrich Schipper vom Bildungshaus in seiner Zweitfunktion als Kulturgüterschützer beim Bundesheer.
Spannend, welch neuen Erkenntnisse nach Abschluss der Grabungen der Archäologen im Bezug auf die Geschichte der Stadt Zwettl gewonnen werden konnten.